Vortrag

Lernen, mit dem Trauma zu leben:

Diplom-Psychologin Marion Sehr informierte im Nachbarschaftshaus über den Umgang mit Flüchtlingen:

„Migration, Trauma, Bewältigung – Zwischen Enthusiasmus und Desillusionierung“ lautete der Titel eines Fachvortrages der Diplom-Psychologin Marion Sehr. Sie arbeitet unter anderem als Psychotherapeutin in Seligenstadt – auch mit Flüchtlingen. Dazu hatten am vergangenen Mittwoch das Soziale Netzwerk Mainhausen, der Arbeitskreis „Willkommen in Seligenstadt“ und der Caritasverband Seligenstadt ins Nachbarschaftshaus eingeladen.

Ehrenamtliche und Interessierte wurden über die möglichen Traumafolgestörungen bei Flüchtlingen und ihre Symptome informiert. Dazu stellte Marion Sehr psychologische Konzepte vor, die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer den Umgang mit traumatisierten Menschen erleichtern können. Etwa 50 Zuhörerinnen und Zuhörer waren in den großen Raum des Hauses gekommen.

Marion Sehr begann ihren Vortrag, indem sie sehr anschaulich schilderte, wie sie als Kind mit dem Thema Trauma und Bewältigung persönlich konfrontiert wurde. Ihre Oma wurde aus ihrer Heimat im Egerland vertrieben, hat die Angst um ihr Leben am eigenen Leib gespürt.

Bei ihrem geschichtlichen Rückblick wies die Diplom-Psychologin unter anderem darauf hin, dass es im Vietnamkrieg der Amerikaner mehr Suizide als Kriegstote gab. Der Begriff Trauma stammt aus dem Griechischen und bedeutet Wunde oder Verletzung. Statistisch nachgewiesen ist, dass heute mehr als zwei Drittel der Erwachsenen in ihrem Leben traumatische Erlebnisse haben beziehungsweise extremen Belastungen ausgesetzt sind. Doch nicht jeder entwickelt deswegen eine psychische Störung.

Für den Umgang mit Flüchtlingen ist wichtig zu wissen, dass bei den Asylverfahren etwa 80 Prozent der Antragsteller große Angst davor haben, zurückgeschickt zu werden. 40 Prozent der Migranten leiden unter posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS). Das sind Reaktionen auf schwere Belastungen und Erlebnisse unterschiedlicher Art. Während akute Reaktionen der Personen maximal zwei bis drei Tage anhalten, hat PTBS eine Verzögerungszeit von Wochen oder gar Monaten. Der „natürliche“ Traumaverlauf spielt sich in drei Phasen ab. Zunächst kommen die Schockreaktion, danach die Einwirkungsphase und schließlich die Erholungsphase. PTBS ist eine Störung in der Stressverarbeitung. Nicht das Trauma macht krank, sondern PTBS.

Die Trauma-Therapie besteht aus drei Grundpfeilern. Sie beginnt mit der Stabilisierung. Mit der sogenannten Exposition sollen die Personen an Erinnerungen herangeführt werden. Schließlich soll die Integration erfolgen: In der Trauma-Behandlung bedeutet Heilung nie, dass die Folgen des Erlebten gelöscht werden. Vielmehr sollen die Betroffenen sollen lernen, mit dem Trauma zu leben. Deswegen sollen diejenigen, die sich mit Menschen mit PTBS beschäftigen, an, sie einen Trauma-sensiblen Umgang mit den Betroffenen pflegen.

Marion Sehr wies darauf hin, dass ihr Vortrag die theoretischen Hintergründe von PTBS aufzeigen sollte. Dadurch sollte man besser verstehen lernen, wie sich Migranten verhalten, die davon betroffen sind. Die Sozialpädagoginnen der Caritas und Marion Sehr stehen für Rückfragen gern zur Verfügung.

Der Beifall der Zuhörerinnen und Zuhörer am Ende des Vortrags zeigte, dass Marion Sehr den Inhalt dieses Themas sehr verständlich übermitteln konnte. Im Anschluss tauschten sie und die Sozialpädagogin Christine Englert von der Caritas ihre Erfahrungen mit dem Publikum aus.

KHR